Dienstag, 30. August 2011

Samuel sagt leise Servus.

Madrid, Mallorca, Barcelona, Mailand, Machatschkala. Was auf den ersten Blick wie die Urlaubshistorie deutscher Pauschaltouristen aussieht, sind die Stationen, bei denen Samuel Eto'o bisher seine Brötchen verdient hat und es immer noch tut. Gut, das sind jetzt sicher keine Penny-Schrippen für 15 Cent das Stück, sondern eher schon Wagenrad große Goldteigfladen aus  einem Brothumidor - falls es so etwas denn überhaupt gibt.

Mit Samuel Eto'o hat sich nun ein begnadeter und vor allem auf Vereinsebene außerordentlich erfolgreicher Stürmerstar auf sein Altenteil zurückgezogen, und das mit gerade einmal 30 Lenzen. Wo es  die Effenbergs und Cannavaros dieser Welt mit Mitte dreißig, knapp vierzig doch eher ins beschauliche Doha oder Dubai zieht, hat sich der kamerunische Nationalstürmer für die Fußballmetropole Dagestans entschieden. Die Sommer sind angenehm, die Winter europäisch - Carlos Eduardo hat es in Kasan schon deutlich schwerer - und am Kaspischen Meer lässt es sich bestimmt auch ganz gut baden. Ok, dass man in Moskau wohnen und trainieren muss und schlussendlich nur zu Heimspielen nach Machatschkala fliegt, um dort im Dynamo-Stadion vor maximal 15.200 begeisterten Zuschauern "zaubern" zu dürfen, ist der fragilen politischen Situation im Nordkaukasus geschuldet. Suleiman Kerimow und Ramdan Kadyrow werden aber sicherlich für einen reibungslosen Fußballnachmittag ohne Anschläge garantieren können.

Das ganz große Medienecho blieb aus, als der Wechsel von Inter zu Anschi vollzogen wurde. Dass Eto'o nun der bestbezahlteste Fußballer aller Zeiten ist, bildete in den meisten Gazetten nur eine Notiz am Rande. Und warum? Mit Recht! Warum soll jemand, der bei den Königlichen aus Madrid das Kicken lernte, dort als nicht adelig genug befunden und auf die des Deutschen liebste Insel transferiert wurde, um letztendlich mit dem FC Barcelona und Inter Mailand 2009 und 2010 jeweils das Tripple zu holen, diesen Schritt nicht machen? Was will Man(n) mehr? Das die unbezähmbaren Löwen, so wie die kamerunische Nationalmannschaft gerne genannt wird, auf die nächsten 10 Jahre nicht reif und fähig für einen WM Titel erscheint, liegt auf der Hand. Also was macht jemand, der im Vereinsfußball eigentlich alles erreicht hat? Er lässt sich das, was er am besten kann, vergolden.

Nun kommt dies bei Eto'o mit seinen 30 Jahren meiner Meinung nach zu früh, denn er hat immer noch das Zeug auf höchstem Niveau Fußball in jeder der Top-Ligen der Welt zu zelebrieren, anders als Diego Forlan, sein Nachfolger bei den Nerazzurri. Aber für 20.000.000 Euro Netto pro Jahr(!) würde  auch ich die 2 Flugstunden zur Arbeit in Kauf nehmen, selbst wenn ich diese nicht von der Steuer absetzen könnte. Es hilft aber auch den Verlust von Mitspielern wie Wesley Sneijder und Maicon zu verkraften, denn die heißen jetzt Kamil Agaralow und Roberto Carlos. Roberto Carlos? Ach ja, da war doch was. Der berüchtigte Roberto Carlos, der vor über 14 Jahren mit einem Freistoß alle physikalischen Gesetze aushebelte, um Fabien Barthez danach ziemlich dümmlich aus der Wäsche und in die Maschen hinter sich schauen zu lassen - Böse Zungen behaupten, dass wäre auch sonst nicht anders gewesen.

Bevor ich vom Thema abschweife. Roberto Carlos, der mittlerweile auf Romarios Spuren wandelt und für den die ganze Welt hofft, dass ihn seine Prostata nicht im Stich lässt und ihm die Einnahme von Medikamenten nicht den Weg zum 10.000 Pflichtspiel-Einsatz versperrt, ist das beste Beispiel für den "Anti-Eto'o". Das, was der Kameruner viel zu früh macht, hat der Brasilianer schon längst aus den Augen verloren: Den Absprung zu schaffen.

Aber eine leise Hoffnung auf Eto'o bleibt noch. In drei Jahren und um einen Haufen Asche reicher ist dieser ohne Vetrag und reif für die Bundesliga! Vorausgesetzt Felix Magath ist bis dahin immer noch in Wolfsburg und Abteilungsleiter der Sparte "Beschaffung, Personal ohne Entwicklung & Vertrieb". Letzteres müsste dann nur noch bei Diego klappen, um Platz für Eto'o im eng bemessenen Kader - sowohl finanziell, als auch quantitativ - schaffen zu können. Sollte Diego bis dahin nicht den VFL verlassen haben, wäre er spätestens dann neuer Spitzenreiter und hätte Albert Streit den Rang abgelaufen, als bestbezahltester Bankdrücker aller Zeiten. Das wiederum ist ein Superlativ, das bestens zu Anschi Machatschkala passen würde... Mal sehen, was bis zum 31.08 0:00h noch so passiert.                 

Freitag, 26. August 2011

Der feine Unterschied.

„Lustig ja, und völlig unsystematisch“, so charakterisiert Philip Lahm rückblickend den Trainingsstil von Rudi Völler vor und während der Europameisterschaft 2004 in Portugal. „Erschreckend, und völlig unsystematisch“ empfand es eher der gemeine Betrachter, der sich vor den Fernsehschirmen zuhause oder mit den anderen gemeinsam in Kneipen oder vor Leinwänden – die Vorläufer des Public Viewings – die Vorrunde der deutschen Nationalelf hat antun müssen. Nun muss man zugeben, dass das, was die Spieler dort abgeliefert haben, bei Leibe kein Glanzstück war. Eine Mannschaft. Nowotny, Wörns, Bobic – Fußballdeutschland hat auch schon bessere Spieler im weißen Trikot gesehen. Die einzigen beiden Tore bei diesem Turnier an der Algarve wurden von Thorsten Frings und Michael Ballack erzielt, Spieler, die nicht umsonst zwei Jahre später einen gehörigen Anteil am Sommermärchen hatten.

Die Mannschaft um Rudi Völler – der einen völlig derangierten Haufen nach der EM 2000 in einer Nacht und Nebel Aktion übernommen und bei der darauffolgenden bis in das WM-Finale von Yokohama geführt hatte – war gescheitert. Ohne mit der Wimper zu zucken und einigen Beschwichtigungsversuchen seitens Theo Zwanzigers zum Trotz, übernahm Tante Käthe die volle Verantwortung und machte mit seinem Rücktritt den Weg für einen Umbruch frei. Eine Verantwortung, die nun Philip Lahm seit der WM 2010 in der Nationalmannschaft und zu Beginn des Jahres auch bei den Bayern ebenfalls zu tragen hat – als Mannschaftskapitän, also als einer, der voran geht und führt. Von daher überraschst es sehr, dass die im Zuge der Veröffentlichung seiner Autobiographie „Der feine Unterschied“ an die Öffentlichkeit getragenen Kritiken so ungewohnt unbedacht erscheinen. Lahm ist erst 27 und vor allem noch aktiver Spieler, hinzu kommt seine Stellung beim FC Bayern und im Nationalteam unter Jogi Löw, vor allem aber seine Darstellung innerhalb der Gesellschaft als „Schwiegermutters Liebling“ und „everybody’s Darling“. Also ein wohlerzogener Mann ohne Ecken und Kanten. Mal ganz davon abgesehen, was man von Biographien von Profifußballern zu halten hat, erscheinen die Aussagen unangebracht und unpassend. Wie man als aktiver Sportler durch eine Autobiographie selbst seinen eigenen Abpfiff herbeiführen kann, ist nicht zuletzt seit Toni Schumacher bekannt. Viel schwerer wiegt aber die Tatsache, dass einer, der sich Leithammel schimpft und diesen Status auch stets eingefordert hat, sich so gehen lässt und Interna ausplaudert. Keine Interna, die schon 30 Jahre zurückliegen und die dem Zuhörer eher ein Schmunzeln ins Gesicht zaubern, sondern Dinge, die noch aktive Trainer, Mannschaften und laufende Prozesse betreffen.

Rudi Völler hatte trotz aller Verdienste um den deutschen Fußball – egal ob als Aktiver oder Teammanager – abgewirtschaftet. Dies lag wahrscheinlich nicht zuletzt an dem ihm zur Verfügung stehenden Spielermaterial. Jetzt war Philip Lahm zu diesem Zeitpunkt ein Frischling im Team und aufgrund dessen wohl auch nicht in der Lage, negative Dinge vor versammelter Mannschaft anzusprechen oder gar dem Trainer direkt selbst zu äußern. Zwar mag die Kritik an Tante Käthe nicht schön sein, sie ist aber durch den „Jungspundbonus“ wohl noch zu rechtfertigen. Schwieriger wird es aber bei den zum Teil harschen Äußerungen der weiteren Trainer. Grundsätzlich sollten Interna nie ungefiltert an die Öffentlichkeit geraten – dies gebietet sich schon aufgrund der Definition und des Anstandes. Dass Philip Lahm in vielen Dingen Recht hat, fällt hier gar nicht so ins Gewicht. Denn das, was er über Jürgen Klinsmann und Louis van Gaal zu berichten weiß, wusste jeder der 82 Millionen Bundestrainer schon längst. Nun fallen diese beiden Trainer aber in eine Phase von Lahms Karriere, in der er schon ein bereits gestandener und anerkannter Spieler war. Ein Spieler, auf den andere hörten. Und von daher enttäuscht es dann nur umso mehr, dass diese Themen von ihm, gerade bei den Bayern und vor allem unter gemutmaßter 100%-Protektion von Uli Hoeneß, nicht „intern“ angesprochen wurden. Dass eine Verbreitung von Vorabauszügen in der größten deutschen Tageszeitung BILD natürlich mit dem Hinblick auf die Steigerung der Auflage forciert wird, ist nicht überraschend. Sie trug aber dazu bei, viele Themen – die so auf der Startseite von bild.de plakativ verbreitet werden konnten – vielleicht aus dem Zusammenhang gerissen wurden. Das ändert aber nichts an den „taktischen Schwächen“ Lahms im Umgang mit seinen Äußerungen. Wobei die Frage ruhig gestellt werden darf, warum man sich in der Blüte seiner Fußballkarriere mit 27 Jahren schon autobiographisch ein Denkmal setzen muss. Vielleicht kann diese Frage Bastian Schweinsteiger – vor Ewigkeiten auch als Schweini bekannt – beantworten. Auch der ist Spieler beim FC Bayern und in der Nationalmannschaft. Er vermag vielleicht nicht dieselbe hohe Telegenität wie ein Philip Lahm zu besitzen, scheint aber auch gerade durch seine persönliche Entwicklung in den letzten beiden Jahren einen „feinen Unterschied“ reifer. Macht doch Schweinsteiger zum Kapitän – „lustig ja, und systematisch auch!“.