Freitag, 20. März 2020

Corona Diaries – Tag 1 – „sei dir selbst am nächsten“

Die Monitore sind installiert, die Tastatur klemmt bisweilen und die Maus regiert nur fahrig auf meine Befehle. Bis auf den Ausblick auf den wunderschönen Innenhof im Stile der Nachkriegs 50er Jahre und der noch massiven Versorgung mit Getränken und Speisen aus dem nächstgelegenem Kühlschrank, unterscheidet sich nicht viel vom sonst alltäglichen Arbeitsumfeld in der Einflugschneise von Deutschlands größtem Flughafen – eingezäunt zwischen Landebahn Nordwest und der vorletzten letzten Schleuse Main aufwärts.

Bis auf die Menschen vielleicht. Zwar vernimmt man bei offener Balkontür diverse Stimmen und der Alltag scheint der gleiche zu sein, sobald ein Peterwagen mit Blaulicht über das Kopfsteinpflaster brettert, aber irgendwas in da im Busch.

Es ist gerade einmal 24 Stunden her, dass die amtierende Bundeskanzlerin von der größten Herausforderung seit dem zweiten Weltkrieg sprach, und ich sitze hier, ganz verantwortungsbewusst und gehe von Daheim aus einer mehr oder weniger geregelten Arbeit nach. Eine – Stand Donnerstag 21:00h – selbstgewählte Isolation, um mich und andere zu schützen – ob vor Corona oder mir selbst, dass muss noch herausgefunden werden.

Um ehrlich zu sein, habe ich mich heute Morgen um 6:21 ungeduscht und ohne die Zähne zu putzen (also die idealen Voraussetzungen für einen erfolgreichen Start in das geplante Home Office) in das Auto gesetzt, um die letzten notwendigen technischen Mittel für eine bevorstehende Abwesenheit  von persönlichen Kontakten im Sinne der Volksgesundheit am primären Arbeitsplatz zu besorgen, um das das Bruttosozialprodukt auch ohne in die Hände zu spucken - das Robert Koch-Institut und Christian Drosten werden es mir danken – vom heimischen Küchentisch aus zu steigern.

Am selbigen angekommen, fällt mir ein, dass es wohl sinnvoller gewesen wäre lieber Klopapier von der Arbeit zu hamstern, als Tastatur und Monitor, die sich im Notfall aufgrund fehlender ergonomischer Eigenschaften nicht wirklich als Substitut eignen würden. Nun gut, schlussendlich wasche ich meine Hände in Unschuld. Hoffentlich.

Die Aufgaben, die Masse an Mails und die Telefonate sind die gleichen, egal ob vom eingesessenen Schreibtischstuhl am unaufgeräumten, aber seit letzter Woche täglich desinfiziertem, Arbeitsplatz aus oder von Remote – Sachbearbeitung 2.0.

Das Handy, Zoom Calls, oder das BTX der Neuzeit (so called Slack) helfen über den Tag verteilt dabei, ein Gefühl des sozialen und kommunikativen Miteinanders aufrecht zu erhalten. Auch wenn man mal nicht einfach mal rüber rufen oder sich über jemanden – natürlich stets im Einklang mit dem Allgemeinen Antidiskriminierungsgesetzes (AGG) - lustig machen kann. Deshalb lasse ich auf die Frage, warum in Unternehmen Gleichstellungsbeauftragte immer nur Frauen sind, auch keine Antwort folgen. Das wäre einfach zu billig.

Einen großen Vorteil hat das Home-Office und die damit einhergehende, quasi selbstgewählte Einzelhaft nun unbestritten. Man muss sich einfach nicht mehr die Blicke, der in dieser Situation meist missgünstigen Kollegen, gefallen lassen und sieht sich auch nicht einer übersteigerten Erklärungsnot ausgesetzt, nur weil man um 10:37 in einer ausgebeulten Jogginghose und einem Glas Grauburgunder in der Hand durch sein Tun die Produktivität dermaßen im Promillebereich in die Höhe schnellen lässt, so dass sich selbst Harald Juhnke im Grabe umdrehen würde.  

Arbeit macht hungrig! Vor allem dann, wenn man sich nicht weit weg von den oben beschriebenen massiven an gehamsterten Lebensmittelvorräten befindet. Die Küche ist wirklich das Herz einer jeder Wohnung, mag sie auch noch klein sein. Nach zwei Toast mit kroatischer Pastete und Tomaten – letztere kommen natürlich im Sinne des Gesamteuropäischen Gedankens aus den Niederlanden, diversen Kaffees, einer Kanne Tee, einer Tüte von biologischen anbaubaren Bio-Salzbrezeln aus bayerischer Bodenhaltung und eines kontinuierlich und portionsweise übern den Tag verteilten Glases mit Delikatess-Bockwürstchens der Manufaktur „Kaufland Classic“, hat  mich schlussendlich auch das ereilt, was den meisten in dieser Situation, in der man allein auf weiter Flur ist,  sonst auch widerfährt – man verpasst der Feierabend.

Beziehungsweise war der Übergang von Lohn und Brot mit dem Grauburgunder über die intensive Recherche auf Facebook nach dem Termin der nahenden, bundesweiten totalen Ausgangssperre bis hin zu den wichtigen Dingen des Lebens – der Steuerklärung – ein fließender und der Scheitelpunkt auf den ersten Blick nicht direkt erkennbar.

Nun neigt sich der (Arbeits-)Tag dem Ende zu; jenes Schicksal teilt dieser derweilen auch mit der Flasche Grauburgunder. Ob Home-Office letztendlich sinnvoll erscheint oder sich die Vermeidung von sozialen Kontakten im Sinne einer #flattenthecurvendiskussion lohnt, vermag ich abschließend nicht beurteilen zu können.
Jedoch bin ich mir sicher, dass nicht nur im Weine die Wahrheit liegt, sondern auch Im Steuerprogramm WiSo 2020. Und deshalb weiß ich ganz genau, dass ich ab heute nie wieder Home-Office machen werde, denn ich bekomme vom Finanzamt Mainz 2.376.074,85 € zurück. In diesem Sinne, zwar immer noch ungeduscht aber mit geputzten Zähnen: #stayathome and #staysafe.